Das Paradigma der Medizin wechseln
— Univ.-Prof. Felix Unger

Der Vorstand der Universitätsklinik für Herzchirurgie, Paracelsus Universität Salzburg, Univ.- Prof. Dr. Felix Unger[1], gibt dem ärztemagazin 16/2006, 21. April 2006, ein Interview und äußert sich als Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaft und Künste zur Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Medizin.

Um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, muss interdisziplinär ein medizinisches Paradigma geschaffen werden, ein Rahmen, eine Denkweise, eine für alle, die sich darin bewegen, verbindliche Art, Probleme zu betrachten, zu beschreiben und anzugehen. Unger erklärt in dem Interview, dass das medizinische Paradigma von Julien de Lamettrie, einem Arzt, der im 18. Jahrhundert lebte und mit seinem Buch „Der Mensch als Maschine“ einen extremen biologistischen Materialismus vertrat, bis in die Gegenwart wirkt. Dies hat zwar zu phänomenalen Erfolgen bei Hygiene, Prävention, Impfungen, sämtlichen diagnostischen, konservativen und chirurgischen Möglichkeiten, der Entwicklung wirksamer Pharmaka bis hin zu gentechnologischen Errungenschaften verholfen und soll als eine von drei Säulen des neuen Paradigmas als Hochleistungsmedizin bleiben, allerdings integriert in ein Gesamtkonzept.

Da der Mensch aber nicht nur aus seinen materiellen Anteilen besteht, sondern ein Wesen der Seele ist, getragen durch einen Geist, nehmen diese analytisch-deduktiven Ansätze der Naturwissenschaft möglicherweise das eigentliche Wesen des Menschen nicht wahr. Dies, da für so etwas wie die Seele eben kein materielles Substrat zu finden ist.

Der Patient muss wieder vom Objekt zum Subjekt werden, durch Gespräche freundliche Berührungen, die breite Palette von Möglichkeiten von fernöstlichen Verfahren wie der Akupunktur, die Homöopathie und naturheilkundliche Ansätze bis hin zur Psychosomatik und Psychotherapie müssen als erste Säule in die Medizin hereingenommen werden. Die Arzt-Patienten Beziehung muss wieder zum Nukleus der Medizin werden.

Die dritte Säule ist der Bereich der Prävention. Hier gilt es, den Blick von der Krankheit auf die Gesundheit, auf die Salutogenese, zu richten. „ Es gibt nur eine Medizin, und die kann gut oder schlecht sein.“

 

[1] Die Ursprünge gehen auf einen wissenschaftlichen Arbeitskreis zurück, dem der Salzburger Herzchirurg Felix Unger, der Wiener Erzbischof Franz Kardinal König und der Politikwissenschaftler und Philosoph Nikolaus Lobkowicz angehörten. Am 7. März 1990 erfolgte die offizielle Gründung in Salzburg. Sitz der Akademie ist Salzburg.